Worüber meine Artgenossen und ich uns regelmäßig aufregen können, sind Dosenöffner, die meinen, ihre Katzen vor den Genüssen von Katzenkräutern wie Katzenminze, Matatabi (Silver Vine) und Baldrian bewahren zu müssen. Sie vergleichen die Wirkung von Katzenkräutern gerne mit einem LSD- oder Cannabis-Trip und finden es unverantwortlich, Katzen „unter Drogen“ zu setzen.
Natürlich meinen die Dosenöffner es bloß gut mit ihren Katzen – leider jedoch zum Nachteil ihrer Katzen. Denn sie beurteilen die Wirkung von Katzenkräutern anhand ihres menschlichen Empfindungs- und Vorstellungsvermögens statt auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Zu den Erkenntnissen, die Wissenschaftler über Katzenkräuter gewonnen haben, gehört, dass Katzenkräuter nicht nur vollkommen anders wirken als vom Menschen konsumierte Drogen, sondern möglicherweise sogar eine nützliche Funktion für uns Katzen haben.
Da alle Katzenkräuter nach dem gleichen Prinzip auf uns Katzen wirken und das gleiche katzentypische Komfortverhalten auslösen wie Katzenminze, wird dieses Verhalten verallgemeinernd als „Katzenminzereaktion“ bezeichnet (engl. Catnip Response bzw. Catnip Reaction). Und die geht so:
Verlauf der Katzenminzereaktion
Die Katzenminzereaktion beinhaltet stets die gleichen Elemente, die allerdings von Katze zu Katze unterschiedlich stark ausgeprägt sein können:
Hat eine Katze Katzenminze, Matatabi (Silver Vine) oder ein anderes Katzenkraut geortet, beschnüffelt sie die Pflanze (oder das mit dem Katzenkraut gefüllte Spielzeug), manchmal betastet sie die Pflanze auch mit den Pfoten. Anschließend wird die Pflanze beleckt, häufig wird auch auf Pflanzenteilen herumgekaut – nicht, um die Pflanze zu fressen, sondern um die darin enthaltenen ätherischen Öle freizusetzen. Ist dies der Katze zu ihrer Zufriedenheit gelungen, reibt sich die Katze an den von ihr „präparierten“ Pflanzenteilen und rollt sich schließlich auf die Seite und den Rücken, um sich auf der Pflanze zu wälzen und ihren gesamten Körper mit dem ätherischen Öl der Pflanze „einzubalsamieren“.
Manche Katzen halten im Laufe dieser Prozedur inne, um zu flehmen, manche schnurren, miauen oder brummen dabei und noch mehr fangen an, verzückt zu sabbern. Keine Angst, dies kann beängstigend aussehen, ist jedoch ganz normal und hört nach einigen Minuten von selbst wieder auf. Versprochen!
Begleitet wird dieses Komfortverhalten von einer euphorisierten Stimmung und verstärktem Spieltrieb, Mit Spielzeugen, die nach Matatabi, Katzenminze & Co. duften, wird gespielt, geschmust, gerangelt oder gekämpft.
In seltenen Fällen kann eine Katze aggressiv auf ein Katzenkraut reagieren. Leicht passiert dies, wenn sich mehrere Katzen ein Katzenkräuter-Spielzeug teilen müssen, was sich durch die Anschaffung weiterer Katzenkräuter-Spielzeuge schnell beheben lässt. Nur in Ausnahmefällen reagiert eine Katze generell so aggressiv auf einzelne oder alle Katzenkräuter, dass ihr die entsprechenden Katzenkräuter grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung gestellt werden sollten.
Dauer der Katzenminzereaktion
Insgesamt hält die Katzenminzereaktion 5 bis 15 Minuten an, in seltenen Fällen bis zu 30 Minuten. Danach lässt sich die Katze mindestens eine, oft bis zu zwei Stunden lang nicht mehr von dem Katzenkraut verführen. Erst nach dieser Regenerationsphase ist die Katze erneut für die Verlockungen des Katzenkrauts empfänglich.
Intensität der Katzenminzereaktion
Die Intensität der Katzenminzereaktion hängt von der genetischen Veranlagung, dem Alter und der Stimmung der einzelnen Katze ab und kann stark variieren.
Ängstliche und gestresste Katzen reagieren zum Beispiel wesentlich schwächer als entspannte Tiere, doch selbst bei entspannten Katzen unterscheiden sich Dauer und Intensität der Katzenminzereaktion von Katze zu Katze und von Katzenkraut zu Katzenkraut.
Einige Katzen reagieren genetisch bedingt gar nicht auf einzelne oder alle Katzenkräuter. Und junge, noch nicht geschlechtsreife Katzen sowie (sehr) alte Katzen interessieren sich ebenfalls kaum oder gar nicht für Katzenkräuter.
Auch die Gewöhnung an den Duft eines Katzenkrauts beeinflusst die Reaktion einer Katze. Ist die Katze dem Duft eines Katzenkrauts zu häufig ausgesetzt, reagiert sie immer schwächer darauf, bis eine Reaktion schließlich ganz ausbleibt.
Erst nach längerer „Duftabstinenz“ wird die Katze im Normalfall wieder auf das Katzenkraut reagieren.
Spieltipp für Katzenminze & Co.
Da Düfte in der Welt der Katzen generell eine große Rolle spielen und wir den Duft von Katzenkräutern ganz besonders zu schätzen wissen, nicht zuletzt, weil sie selbst lethargische Katzen in eine euphorisierte, spielfreudige Stimmung versetzen können, werden Katzenkräuter und mit Katzenkräutern gefülltes Spielzeug von Katzenexperten verschiedenster Disziplinen – Biologen, Verhaltensforscher und Tierärzte – zur Bereicherung des Lebensumfeldes (Environmental Enrichment, EE) von in menschlicher Obhut lebenden Katzen empfohlen (z. B. hier oder hier).
Damit Katzenkräuter-Spielzeug für eine Katze möglichst lange interessant bleibt, sollte eine Katze nicht häufiger als ein- bis zweimal pro Woche damit spielen.
Zwischen den Spieleinheiten sollte das Spielzeug an einem für die Katze nicht erreich- und erriechbaren Ort aufbewahrt werden.
Wirkweise von Katzenkräutern
Während der Mensch seit Jahrhunderten weiß, welches Verhalten Katzenkräuter bei einer Katze auslösen, ist das, was dabei im Inneren der Katzen vor sich geht, noch immer nicht vollständig erforscht.
Was man mittlerweile mit Sicherheit weiß, ist, dass bei der Wahrnehmung der Duftstoffe, die die Katzenminzereaktion auslosen, der sogenannten Cat Attractants, nur die Riechschleimhaut in der Nase der Katze beteiligt ist. Das Jacobsonsche Organ im Gaumenbereich der Katze spielt dabei keine Rolle (mehr darüber hier).
Es wird angenommen, dass die Cat Attractants bestimmten körpereigenen chemischen Botenstoffen (Pheromonen) der Katze ähneln und an die entsprechenden Pheromonrezeptoren auf der Riechschleimhaut der Katze andocken. Durch die Stimulierung der Pheromonrezeptoren wird die Katze für maximal 30 Minuten in einen euphorischen, spielfreudigen Zustand versetzt. Danach benötigen die Pheromonrezeptoren eine ein- bis zweistündige Regenerationsphase, während der sie nicht für eine erneute Stimulation empfänglich sind.
Die Pheromonrezeptoren der Katze sind äußerst sensibel und nehmen bereits geringste Konzentrationen (1 ppb = 1 Teil pro Milliarde) in der Luft befindlicher Cat Attractants wahr.
Über die Natur der Pheromone, denen die Cat Attractants ähneln, herrscht nach wie vor Unklarheit. Anfänglich tippte man auf männliche Sexualpheromone, da Katzen erst nach Beginn der Pubertät oder dem Erreichen der Geschlechtsreife auf Cat Attractants reagieren und das Wälzen der Katze auf den Pflanzen dem Verhalten einer rolligen Katze ähnelt. Da sich aber auch Kater auf Katzenminze & Co. wälzen, hat man diese Annahme mittlerweile wieder verworfen.
Eine neuere These besagt, dass Cat Attractants einem „Wohlfühl-Pheromon“ ähneln, das beim Paarungsverhalten von Katzen und Katern ausgestoßen wird. Es wird sich zeigen, ob dies das letzte Wort zur Natur der Cat Attractants ist. Wobei uns Katzen ehrlich gesagt egal ist, warum die Cat Attractants uns so glücklich machen – Hauptsache, sie tun es!
Katzenkräuter – Parasitenschutz mit Spaßfaktor
Genauso wie ihr Wirkmechanismus sind auch Sinn und Zweck der Katzenminzereaktion ein noch immer nicht vollkommen gelöstes Rätsel.
Eine plausible These lautet, dass Katzen durch die Cat Attractants dazu verleitet werden, das ätherische Öl von Katzenkräutern auf ihrem Körper zu verteilen, um sich einen natürlichen Parasitenschutz zuzulegen.
Denn nachgewiesen ist, dass die ätherischen Öle verschiedener Katzenkräuter, darunter Katzenminze, Katzengamander, Indisches Brennkraut und Matatabi (Silver Vine), auf Parasiten wie Flöhe und Stechmücken eine abstoßende Wirkung haben. Das vor allem in der Katzenminze enthaltene Nepetalacton wirkt beispielsweise zehnmal so stark in der Abwehr von Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) wie das in chemischen Insektenabwehrmitteln weit verbreitete Diethyltoluamid (DEET).
Katzen wären bei Weitem nicht die einzigen Tiere, die Parasitenschutz mit euphorischer Begeisterung betreiben. Auf die Spitze getrieben haben es die auf Madagaskar beheimateten Mohrenmakis (Eulemur macaco). Diese nicht einmal katzengroßen Halbaffen fangen hochgiftige Riesentausendfüßler und zwicken sie mit den Zähnen, damit die Tausendfüßler zur Abwehr ihr Gift versprühen. Dessen Inhaltsstoffe bieten einen vorzüglichen Schutz vor Moskitos. Nachdem die Makis sich ausgiebig mit dem Tausenfüßlergift eingerieben haben, setzen sie die Tausendfüßler unversehrt wieder auf freien Fuß.
Ähnlich wie die Cat Attractants im ätherischen Öl der Katzenkräuter bietet auch das Tausendfüßlergift einen besonderen Anreiz für diese Art der Körperpflege: Es enthält ein Halluzinogen, das die Makis bei der Moskitoabwehr in einen rauschhaften Zustand versetzt (siehe Video ab Minute 1:00).
Da kann man selbst als Katze mit einem Schrank voller Matatabi-Spielzeug neidisch werden!
Schlusswort an alle „Keine Macht der Katzenminze“-Dosenöffner
Seid fair zu euren Katzen und lasst sie am Katzenkräuter-Vergnügen teilhaben!
Katzenkräuter kommen auch im Lebensraum von Wildkatzen vor und sind etwas vollkommen Natürliches – Wildkatzen reagieren genauso auf Katzenkräuter, wie Hauskatzen dies tun, und zwar ohne dass Menschen versuchen, sie an diesem Vergnügen zu hindern!
Katzenkräuter sind nicht vergleichbar mit den Drogen, die Menschen konsumieren. Die zwei wichtigsten Unterschiede:
1. Katzenkräuter wirken auf Katzen, indem bestimmte Duftmoleküle aus ihrem ätherischen Öl an Pheromon-Rezeptoren in der Riechschleimhaut der Katze andocken. Im Gegensatz zu den Drogen, die Menschen konsumieren, entfalten Katzenkräuter ihre anregende Wirkung nicht, indem sie in den Blutkreislauf gelangen.
Im Gegenteil, frisst die Katze nennenswerte Mengen der Katzenkräuter, wird sie schläfrig. Vermeiden lässt sich dies, indem man seiner Katze Spielzeug mit einer Füllung aus echten Katzenkräutern anbietet.
Ihr Menschen habt keine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn Duftmoleküle an Pheromonrezeptoren in eurer Riechschleimhaut andocken, daher hört bitte auf, dieses Gefühl mit der Wirkung zu vergleichen, die eure Drogen in eurem Nervensystem erzeugen!
2. Katzenkräuter können nicht süchtig machen. Ein zu häufiger Genuss von Katzenkräutern führt zu einer Gewöhnungsreaktion, in deren Folge die Wirkung auf die Katze nachlässt und schließlich ganz erlischt.
Keine Katze, die aufgrund einer Gewöhnungsreaktion zunehmend schwächer auf ein Katzenkraut reagiert, wird versuchen, immer höhere Dosen des Katzenkrautes in immer kürzeren Intervallen zu „schnüffeln“, um erneut die erwünschte Wirkung zu erfahren, wie dies bei einer Abhängigkeit typisch wäre. Stattdessen verliert die Katze einfach komplett das Interesse an dem Katzenkraut!
Für Dosenöffner, die trotz all dieser Fakten an ihrer Prohibitionspolitik festhalten, habe ich eine schöne Idee, wie sie sich künftig auch im Urlaub nützlich machen können: Fahrt nach Madagaskar und rettet die Mohrenmakis vor der Drogenhölle, indem ihr ihnen die halluzinogenen Tausendfüßler aus den Pfoten reißt.
Gute Reise!